Der Löwenzahn segelt nach Schottland.
Begonnen hat diese Reise vor sehr langer Zeit (vermutlich 2009), als Inga mir das Buch „Der keltische Ring“ von Björn Larson gab. Kurzweilig gelesen und ein großer Traum ist geboren – in Schottland segeln bleibt ein Traum, denn es existiert nicht mal ein Schiff mit dem es möglich wäre. Aber das Leben spielt mir weitere Indizien zu. Da ist zum Beispiel ein Hafenmeister in der South Dock Marina in London, der die Idee säht, dass Schiff einfach einen Winter in Schottland zu belassen. Zu diesem Zeitpunkt ist dieser Gedanke noch unerträglich, aber ein weiteres Buch später Work – Sail – Balance (*) und einen Haufen von Informationen von Adelheit von „die Zwei Gebrüder“ hilft uns diesen Trip zu planen. Dazu erhält der Löwenzahn ein technisches Upgrade auf den neusten Stand, wie z.B. ein sendendes AIS und ein Funkgerät. Die gesamte Crew macht ein Funkzeugnis (SRC). Alle Holzteile erhalten eine extra Schicht Lack, denn wir wissen nicht wann und wo wir das nächste mal lackieren können.
Jetzt ist eine Reise nach Schottland nicht mehr so unmöglich, wie es 2009 noch der Fall war. Der Plan ist gefasst – wir wollen im Sommer nach Schottland. Tjark wird uns begleiten und die Abfahrt ist für kurz nach seinem Abitur geplant.
Das Frühjahr beginnt planmäßig und die Zeit bis zur Abfahrt, wollen wir mit reichlich Training verbringen. Im Mai geht es nach Helgoland, wo wir quasi allein sind und den beginnenden Sommer genießen. Hier fällt Jana den Entschluss, lieber per Flugzeug nach Schottland zu fliegen, als mit uns zu segeln. Die Rückfahrt von Helgoland nach Cuxhaven bei SW 6 war nicht für alle an Board ein Spaß.
Tjark und ich nutzen einzelne Sturmtage, um uns und den Löwenzahn auch auf einen Sturm auf der Nordsee einzuschwören.
Am 06 Juli ist es soweit. Wir (Tjark und Matthias) starten in Hamburg mit der Unterstützung von Lars gen Westen. Bei westlichen Winden um die 6 Bft tut die Elbe alles, damit wir bleiben. Wir haben den Kampf akzeptiert und schaffen es trotz Seekrankheit, Wind gegen den Strom und der sich dadurch aufgebauten Welle bis Brunsbüttel. Schönes Essen – schönes Bier und die Welt ist wieder in Ordnung.
Bis Cuxhaven ist es weiterhin anstrengend, aber dafür ohne weitere Auffälligkeiten, Lars macht sich auf den Heimweg per Bahn und Tjark und ich starten auf nach Helgoland. Auf Helgoland wollen wir auf das passende Wetterfenster für die Überfahrt warten und die Zeit mit einer Reihe an kleinen Reparaturen verbringen. Auf dem Weg nach Helgoland lernen wir die Nachteile eines aktiv sendenden AIS kennen. Aus der Sicht von Elbe Traffic Control haben wir den Abstand zur Berufsschifffahrt zu gering gewählt und stehen nun unter besonderer Beobachtung. Immer wenn wir uns näher als 2 NM einem Dampfer nähern werden wir von einer netten Dame darauf hingewiesen. Die Funkgemeinde der Elbmündung hatte bestimmt ihren Spaß, wir leider nicht. Auf dem Stück zwischen Elbmündung und Helgoland müssen wir noch mal bei NW 6-7 eine Runde im Vollwaschprogramm verbringen und die Seekrankheit war auch wieder dabei. Die letzten Zweifel an dieser Reise wollten bedacht werden. Aber der Wetterbericht zeigt sehr deutlich, dass der Dienstag der letzte Sturmtag ist, anschließend wird es besser. Also Augen zu, Zähne zusammenbeißen und durch. Wir schaffen das.
Denn nach dem Regen kommt immer die Sonne.
Wir haben unsere neuen Solarzellen (*) im Gepäck, die wir noch vor der Abfahrt installieren wollen und natürlich eine sehr lange Einkaufsliste. Wir brauchen einmal “Alles” vom Diesel zu Getränken bis zum guten argentinischen Rindfleisch für genügend Energie für die Mannschaft. Wir sind sehr glücklich, dass wir alles bis ans Schiff geliefert bekommen.
Nach einem arbeitsreichen Tag fallen wir aufgeregt und müde in die Koje, morgen geht es früh los. Noch einmal den Wassertank füllen und gegen 8.00 Uhr verlassen wir Helgoland mit dem Ziel Peterhead an der nordöstlichen Schulter des Vereinigten Königreichs.
Wir hoffen die etwa 380 Meilen in 3,5 Tage zu schaffen. Am Samstagnachmittag wollen wir Jana in Peterhead treffen, die Samstag mit dem Flugzeug nach Edinburgh fliegt und mit dem Mietwagen nach Peterhead fährt.
Mit leichter NO Briese marschiert der Löwenzahn gen Nord. Nachdem sich die erste Aufregung nach dem Aufbruch gelegt hat, gönnen wir uns ein gemeinsames Mittagessen und starten dann in unser 3+1 Stunden Wachsystem. Wir wollen jeder jeweils 3 Stunden allein Wache gehen und dann bei Bedarf eine Stunde gemeinsam verbringen und gemeinsam kochen, essen, navigieren und das Schiff pflegen.
Am Abend des ersten Tages zieht Nebel auf und wir freuen uns per AIS zumindest einen Umkreis von 5 Meilen zu erahnen und gesehen zu werden. Die Nachtwache erhält wunderschönes Meeresleuchten und reichlich Lärm, weil die Maschine seit 22:30 Uhr unterstützen muss.
Nach 24h auf See haben wir die ersten 135 Meilen geschafft und sind stolz auf uns und den Löwenzahn. Zur Belohnung gibt es ein reichhaltiges Frühstück am Tisch. Wir fahren noch immer unter Motor.
Die Nordsee ist flau, wie wir es von unserer London Reise kennen, aber noch sind wir nicht da, sondern laufen mit Kurs NNO nah der Küste.
Während des Frühstücks fachsimpeln wir über unseren Dieselverbrauch und ob wir auf der Höhe von Thyborøn (DK) auch wirklich Wind finden werden. Denn unser Diesel reicht nur für gut die Hälfte des Weges. Also was werden wir tun?
An diesem Tag erlebe ich auch meinen persönlichen Höhepunkt, als der Löwenzahn von Delfinen umspielt wird. Hier geht es zum Video.
Der Wind bleibt fern – Wir motoren weiter. Die Kursverläufe des ein oder anderen Schiffes lässt vermuten, dass wir dank unseres AIS und vielleicht auch per Radar gesehen werden. Ein 288m langer Kreuzfahrer weicht uns aus und geht 2 Meilen hinter unserem Heck durch. Wir haben ihn nie gesehen, er war fest eingepackt im Nebel.
Nach 1,5 Tagen mit Motor kommt etwas Wind und wir segeln wieder. Ist das herrlich. Zusätzlich verzieht sich der Nebel und die Sonne kämpft sich durch und wir segeln bei nördlichen Winden Richtung Westen.
Am Samstagmittag stehen wir ca. 20 Meilen vor der schottischen Küste als es wieder abflaut und wir die letzten 12 Liter Diesel investieren.
Um 16 Uhr am Samstag erreichen wir Peterhead und werden von Jana in Empfang genommen. Da wir vorab schon telefonieren konnten wissen wir, dass sie gegen 14 Uhr im Hafen angekommen ist und bereits mit dem Hafenmeister einen Liegeplatz ausgehandelt hat.
Wir wollten nur noch schnell auf dem Weg etwas Diesel bunkern, aber es gab natürlich nur roten Diesel, den habe ich mich noch nicht getraut zu tanken. Zusätzlich wäre der Schlauch aus 15m Höhe gekommen. Also verschieben wir das auf einen Landausflug. Zum Glück haben wir die nächsten Tage ein Auto und können bequem zur Tankstelle fahren.
Wir haben es geschafft und sind von Helgoland nach Peterhead gesegelt – auf den Spuren des Keltischen Ring.
Weiter geht es durch den „langweiligen“ Osten, wie Jana behauptet und uns später in Oban ein Schotte aus der Stadt Perth bestätigen wird, nach Fraserburgh, zu den Seehunden im Hafen. Diesen Hafen solltet ihr versuchen zu meiden. Yachten sind hier nicht sehr willkommen.
Viel schöner sind da Whitehills und Lossiemouth. In Whitehills nutzt der Hafenmeister die Ankündigung per UKW, um von der Mole aus Fotos zu machen und diese direkt nach dem Festmachen an die Crew zu überreichen. Das war ein großartiges Erlebnis. Vielen Dank.
Der Weg nach Inverness führt entlang der Küste durch die Enge bei Fort George. Hier soll es viele Delfine geben und von Inverness gibt es sogar Delfinausflüge. Wir sehen keine, dafür weht uns ein eiskalter südwestlicher Wind entgegen und wir freuen uns auf die Marina. Morgen beginnt der Traum vom Befahren des Caledonian Canal.
Der Weg von der Marina mit zum Eingang des Kanal sind nur wenige Minuten Fahrt. Daher schlafen wir aus, nutzen die Chance auf Diesel von der Yachttankstelle und erreichen gegen 13 Uhr Clachnahharry Sealock, die erste von 29 weiteren Schleusen im Caledonian Canal. Die nächsten Tage werden wir nicht mehr von der Tide, sondern von Brücken und Schleusenzeiten bestimmt. Im Schleusenhaus der Clachnahharry Sealock werden auch die Formalitäten erledigt und die Kanalgebühr von 180 Pfund bezahlt. Wir erhalten eine ausführliche Einweisung über die Do’s and Don’ts im Kanal. Danach wird uns der obligatorische Schlüssel zu allen Duschen und WC’s entlang des Kanals überreicht. Wichtigstes Dokument dabei ist der Versicherungsnachweis des Schiffes. Zum Glück hat Jana uns den Nachweis noch in letzter Minute aus Hamburg mitgebracht.
Wir meistern unsere erste Schleusentreppe ohne Probleme und fühlen uns richtig gut auf dem Weg zum Loch Ness.
Das nächste Ziel ist ankern vor Urquhart Castle. Vermutlich ein Muss für jeden der in diese Region reist. Ich werde erst im Herbst herausfinden, wie unspektakulär die Anreise auf dem Landweg ist, aber wir genießen den spektakulären Blick vom Wasser.
Der Löwenzahn ankert in Sichtweite zum Castle auf rund 6 Meter Wassertiefe, bevor das Loch Ness sehr steil, auf rund 230 Meter Wassertiefe abfällt. Am nächsten Morgen geht die Sonne entlang des Loch Ness auf und bereitet uns noch einen traumhaften Morgen.
In Fort Augustus erreicht uns Anett und wir werden die nächsten Tage zu viert weiterreisen. Leider passiert hier auch unser größtes Missgeschick. Während des Schleusen in den 4 Kammern werden wir beim Übergang von einer Schleusenkammer in die nächste von einem Hausboot an die Schleusenwand gedrückt und der Löwenzahn holt sich einige dicke Kratzer.
Weiter geht es Richtung Loch Oich und Loch Lochy den weiteren Seen auf dem Weg des Caledonian Canals. Die Landschaft wird von Tag zu Tag bergiger, grüner und wilder, bevor wir Neptuns Staircase in Fort William und damit das Ende des Kanals auf der Westseite erreichen.
Während die Ostseite eher eine flache Landschaft darstellt, werden die Berge hier immer höher. Wir haben Berge von 500 bis 800 Meter direkt neben uns auf denen saftige grüne Wiesen zu erkennen sind. Der Nebel gehört hier ebenso zur Tagesordnung, wie im Herbst in Hamburg.
In Fort William oberhalb von Neptuns Staircase angekommen genießen wir das sommerliche Wetter und den Blick auf den Ben Nevis – dem höchsten Berg Schottland und wandern zur Whiskey Destille Ben Nevis.
Inzwischen routiniert und zu viert sehr entspannt schleusen wir die 8 Stufen während des Vormittags „flight“ abwärts und sind nun wieder fast auf dem Niveau der See.
Da es in Fort William keine attraktive Liegemöglichkeit gibt, zieht es uns direkt weiter Richtung Westen. Ziel wird die Bucht im Glencoe sein. Spannend ist dabei die Meerenge bei Corran Point, die das Loch Linnhe in einen inneren Teil bei Fort William und einen seewärtigen Teil bis hinaus nach Oban teilt. Hinter dem Corran Point befinden wir uns alle erstmalig mit dem Schiff auf dem Atlantik. Was für ein tolles Gefühl.
Der einzige Zugang zum Tal / Bucht / Ort Glencoe ist die Enge und Brücke bei Ballachulish. Durch die Enge und die geringe Wassertiefe habe ich etwas Sorge wegen der Strömung an diesem Punkt. Aber die Götter meinen es gut und wir kommen gut im Glencoe an. Finden eine Visitor Mooring beim Glencoe Yacht Club und dürfen bei der Mittwochsregatta zusehen und den Blick auf den Pap of Glencoe genießen. Dieser Ort hat eine mystische Vergangenheit und sogar eine Bergrettungsstation, obwohl er direkt am Wasser liegt. Das nächste Skigebiet ist aber nicht weit entfernt und im Winter bestimmt einen Besuch wert.
Trotz der Schönheit des Ortes setzen wir unseren Weg fort. Anett’s Zeit an Board neigt sich dem Ende und der beste Absprung in dieser Gegend ist in der größten Stadt Oban (8500 Einwohner) möglich. Auf dem Weg haben wir einen der schönsten Segeltage. Bei NW 4 genießen wir und der Löwenzahn das Segeln im Sonnenschein auf klarem Wasser und entspannten Wassertiefen von mehr als 50 Meter.
In Oban geht es natürlich mal wieder in eine Destille. Die Oban Distillery – die an diesem Ort entstand bevor die Stadt drum herum gebaut wurde.
Oban bietet uns umfangreiche Shopping Möglichkeiten und eine direkte Anbindung Richtung Edinburgh via Glasgow und den Oban Seafood Hut. Den besten Seafood Imbiss der Welt… so behauptet der Eigentümer. Es gibt frische Muscheln auf die Hand, Krebse und Lachs Sandwich zum Mitnehmen.
Das Stadtleben ist für uns nichts von Dauer und wir haben noch rund eine Woche bis auch Tjark nach Hause fliegt und wir das Schiff winterfest an die Werft übergeben.
Die Zeit reicht vielleicht aus, um einmal die Isle of Mull zu umrunden. Also auf nach Tobermory. Ein kleines, überschaubares und hier sehr bekanntes Städtchen, welches bekannt ist für die bunten Häuser an der Hafenkante. Wir haben Glück und können direkt am Schlengel anlegen. Die Tobermory Distilery ist nach einem Eigentümerübergang gerade geschlossen, aber es gibt einen kleinen Laden. Von hier aus werden viele Walbeobachtungstouren angeboten, ob wir auch noch welche sehen? Die täglichen Sichtungen von Seehunden (im Löwenzahn Släng auch Seadogs genannt) registrieren wir schon gar nicht mehr. Insbesondere schlafende Seehunde sehen wir täglich. Seehunde schlafen treibend im Wasser und stecken dabei Ihre Nase aus dem Wasser.
Wir versuchen es am nächsten Tag und verlassen Tobermory in nordwestliche Richtung entscheiden uns aber an der nördlichen Spitze der Isle of Mull wieder umzudrehen, da wir keinen Wind haben und wir an der Westseite bei angesagten westlichen Winden keinen sicheren Anker- oder Liegeplatz ausfindig machen können. Dieser Wendepunkt schien uns aber perfekt geeignet Jana erste Flaschenpost aufzugeben, damit diese hinaustreibt in den Atlantik und irgendwo weit entfernt wieder angespült wird.
Im Sound of Mull findet sich an der Nordseite das Loch Aline, welches rundherum geschützt ist und sogar einen Anleger bietet. Der Ausblick ist großartig. Das Clubhaus biete uns alles wovon wir träumen, fließend Wasser und eine warme, saubere Dusche.
Nach einer schönen Zeit im Loch Aline wollen wir das erste Mal zusammen nach Kilmelford Yacht Haven und uns gemeinsam die Heimat für unseren Löwenzahn in den nächsten 11 Monate ansehen.
Dazu geht es durch das Loch Linnhe seewärts durch des Easdale Sound und den Cuan Sound.
Der Easdale Sound ist sehr eng und er lässt sich notfalls leicht umfahren, aber im Cuan Sound erwartet uns eine wahnsinnige Strömung und reichlich Strudel. Wir beschleunigen auf über 11 Knoten bei 5,5 Knoten Geschwindigkeit durchs Wasser. Hoffentlich kommen wir hier heil durch.
Hier ist es ähnlich wir im Gulf of Corryvreckan, das Wasser wird aus großer Wassertiefe in eine flache Meerenge gedrückt und möchte diese passieren. Der Gulf of Corryvreckan ist eine der gefürchtetsten Meerengen der Welt.
Mit Dave, dem Werftchef von Kilmelford Yacht Haven, besprechen wir das weitere Vorgehen, wir liefern das Schiff winterfertig am 02. August an ihn und sagen Tschüss.
Im Oktober haben wir den Löwenzahn besucht und Frostschutz und einige kleine Maler- und Polierarbeiten erledigt. Im Juli 2020 wollen wir zu den Äußeren Hebriden (Lewis und Harris) segeln.
Was danach kommt, werden wird in der Zukunft sehen.
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